Über die Elche

Darf es einen Bericht über das Land Schweden geben, in dem keine Elche vorkommen? Nein, darf es nicht. Denn der Elch fasziniert den Deutschen wie der Kölner Dom den Japaner, und ich wage zu behaupten, dass viele überhaupt nur wegen der Elche herkommen. Erklären kann es keiner, verbergen auch nicht: Die Deutschen sind elchverrückt. Um den König des Waldes vor die Linse zu bekommen, üben sie daheim schon zwei Wochen vorher den Brunzlaut. Sie steigen an jedem Elchwarnschild aus dem Auto und gehen nachgucken. Sie verbringen halbe Nächte auf finsteren Waldwegen oder lauern bei Tagesanbruch im Dickicht. Und doch haben nur wenige das Glück, denn der Elch ist ein scheues Tier und verzieht sich lieber, wenn Manne aus Berlin durchs Unterholz kracht.

Fakt ist: Mit Elchen kann man prima Geschäfte machen. Plüschtiere, Aufkleber, Massageroller, alles geht weg, wenn nur Schaufeln dran sind. Bloß die nachgemachten Verkehrschilder nicht, die sollen lieber echt sein. Also wird abgeschraubt, was das Zeug hält. Jedes Jahr kommen etliche Elchschilder abhanden, und der Verdacht fällt immer wieder und ausschließlich auf die deutschen Schlachtenbummler. Ist dies ihr hartnäckiger Versuch, den Schweden ihre Eroberungszüge aus dem 30jährigen Krieg heimzuzahlen? Rechnet man mit zunehmenden Elchbeständen auch in heimischen Gefilden und baut daher vor? Man weiß es nicht. Man weiß nur, der Deutsche klaut Schilder, und das muss verhindert werden.

In Norrland hat man bereits eine effektive Methode gefunden: Die rotgelben Dreiecke werden einfach mit ein paar Gewehrkugeln durchlöchert und somit ihrer Attraktivität beraubt. Das ist preiswert, wirkungsvoll und macht Spaß.

Die richtige Elchjagd geht im Oktober los. Jeder Schwede, der was auf sich hält und einen Jagdschein hat, brettert mit der Thermoskanne durch den Wald, immer am Rande des Herzinfarkts. Denn Elchjagd ist anstrengend, besonders für untrainierte Schreibtischtäter. Die Büros stehen unterdessen leer, die ungelesene Post stapelt sich, und alle haben Verständnis. Denn die Vorgesetzten sind ja auch im Grünen.

Wenn Sie ein paar Jahre in Schweden gelebt haben, entromantisiert sich Ihr Verhältnis zum König des Waldes. Sie fangen an, ihn eher als Gesundheitsrisiko zu sehen, als unbelehrbaren Verkehrsteilnehmer, der Ihnen und Ihrem Auto versehentlich nach dem Leben trachtet. Tritt Ihnen ein solches Ungetüm nachts plötzlich vor die Scheinwerfer, dann denken Sie bitte nicht: Wow, der König des Waldes, und ich ohne Fotoapparat! Denken Sie lieber: Der Elch stakst geradeaus weiter und wendet selten, drum immer auf die Hinterbeine zielen!