Mittsommer

Als Schwedenkennern und -liebhabern ist Ihnen natürlich das Mittsommerfest ein Begriff – nicht erst seit der IKEA-Werbung.
Bekränzte Frauen und Kinder in Trachten, fröhliche Tänze, ausgelassene Stimmung. Doch haben Sie schon einmal hinter die Fassaden dieses Festes gucken dürfen? Alles fängt Wochen vorher mit dem Backen der sagenhaften Bullar, dieses herrlichen Hefegebäcks an. Wenn man Sie einlädt, Vorstandsmitglied in einem Heimatverein, Ruderklub oder einer anderen Interessengemeinschaft zu werden, sollten Sie Ihre Backbereitschaft vorher kritisch hinterfragen. Bei uns handelt es sich jährlich zu Mittsommer um 100 Bullar und einen Sandkuchen. Pro Vorstandsmitglied also.
(Ihnen kann ich es ja verraten: Ich bestelle die ganze Ladung immer bei einem Freund der Familie, der eine Bäckerei betreibt und mir die Dinger günstig ablässt. Man muss nicht heldenhafter sein als nötig…)

Die Bullar sind also gebacken, der Mittsommerabend (immer Freitag) ist da. Der Abend fängt schon am Morgen an, wenn die Kinder auf der Wiese Blumen pflücken und den Maibaum damit einwickeln. So weit, so romantisch. Nachmittags wird der Baum mit vereinter Kraft aufgestellt (manchmal fällt er tatsächlich um, dann kommt das in den Nachrichten). Und nun geht’s los: Tanz um den Maibaum. Erwachsene wie Kinder kriechen und hoppeln begeistert durchs Gras und singen dazu biologisch einfach nicht korrekte Lieder. Oder was soll man davon halten: „Die kleinen Frösche, die kleinen Frösche sind lustig anzusehen. Sie haben keine Ohren, und sie haben keine Schwänze.“ Und das auf dem Lande!

Nach der Feier zieht man sich zurück zum Abendessen, und dieses ist im ganzen Land in folgender Form obligatorisch: Frische Kartoffeln, Matjes, dazu saure Sahne. Schmeckt viel besser, als es klingt! Außerdem gibt es Erdbeertorte (jedes Jahr um Mittsommer die gleiche Hysterie: Wird es denn pünktlich Erdbeeren geben? Und was kostet die Schale?) Das Erreifen der ersten roten „Erdmännchen“ wird sogar in der Zeitung vermeldet. Und wie sieht die schwedische Erdbeertorte aus? Es ist ein großer Sahnehaufen mit roten Punkten drin. (Ich verblüffe und entzücke unsere Nachbarn und Gäste immer wieder mit vorgefertigtem Tortenboden und Gelee von Doktor Oetker – sie halten mich für eine Zauberin in der Küche!)

Der Mittsommerabend wird im Kreise enger Freunde und Verwandte verbracht. Die Festgeräusche steigen direkt proportional mit dem Alkoholkonsum an. (Unsere Nachbarn z.B. haben jedes Jahr einen begabten Menschen zu Besuch, der immer gegen halb ein Uhr nachts ein fröhliches Trompetensolo vorträgt.)
Der eigentliche Mittsommertag ist dann am Sonnabend. Da nur die wenigsten diesen Tag bei vollem Bewusstsein und in körperlich guter Verfassung erleben, ist dieser Sonnabend der ruhigste des ganzen Jahres.

midsummerMittsommer – die offizielle Version. Foto: Carolina Romare/imagebank.sweden.se