Schwedische Gardinen

Um es gleich vorwegzunehmen: Man muss kein Einrichtungsfanatiker sein, um in Schweden zu leben. Aber es erleichtert. Denn hier ist Homestyling schwer angesagt, und das auch in der kleinsten Hütte. Ich habe mal in unserer Dorftankstelle die angebotenen Wohnmagazine durchgezählt: 16 Stück. Die Einrichtungsblogs im Internet lassen sich schon gar nicht mehr in Ziffern erfassen. Es scheint, als ob jeder, der gerade ein bisschen renoviert oder öfter mal seine Kissen auswechselt, dazu den passenden Blog betreibt. Die Homeblogger besuchen sich mit Vorliebe gegenseitig, so dass es nie an lesewilligem Publikum fehlt.

Die schwedische Lust am Einrichten treibt zuweilen seltsame Blüten, eine davon nennt sich Weihnachtsgardinen. Es wird mehr oder weniger von Ihnen erwartet, dass Sie am ersten Dezember nicht nur 37 Adventsleuchter im Haus verteilen, sondern auch Ihre Gardinen gegen saisonbetonte Textilien austauschen. Mindestens in der Küche und im Wohnzimmer. Ebenso tief verankert ist der Begriff Julstädning, was man mit Großem Weihnachtsputz übersetzen könnte.  Hierbei ist gründlich in jede Ecke vorzudringen. Der Einwand, dass ja in Kürze die Tannenbaumnadeln zu Boden rieseln und den schönen Eindruck versauen, zählt nicht.

Übrigens ist der schwedische Staatsminister Fredrik Reinfeldt auch ein Saubermachfreak. Er hat sich schon mit Schürze und Staubsauger ablichten lassen und dem Volk seine putzlustigen Reinigungstipps geschenkt. Fredrik schrubbt gern zu lauter Musik und nimmt sich bei jedem Wochenputz einen Raum „zur Vertiefung“ vor. Hausmännlich!

Die Belohnung (oder Strafe) für alle Homestyler lässt nie lange auf sich warten. Wenn Sie Gäste einladen, vor allem solche, die noch nie bei Ihnen zuhause waren, können Sie davon ausgehen, dass eine Besichtigungsmöglichkeit für Ihr ganzes Heim erwartet wird. Unter dem Motto: „Wir wollen doch gerne sehen, wie es bei Euch so ist“ stiefeln die Besucher ungeniert in Ihr Schlafzimmer, die Abstellkammer und genau das Badezimmer, welches nicht als Gästetoilette gedacht war. Es gilt also, vor geselligen Abenden das ganze Haus auf Vordermann zu bringen, nicht nur die relevanten Verkehrsflächen. Peinlich ist das nur die ersten Male, dann gewöhnt man sich dran. Und ehrlich, Sie wollen doch auch gern wissen, wo Ihre Nachbarn die Nächte verbringen?